Aus meinem Buch "Viszeralosteopathie - Grundlagen und Techniken" - 6. Auflage

Das Mediastinum ist der zwischen den beiden Pleurahöhlen eingeschlossene Raum. Das ist eine mögliche Definition des Mediastinums, doch welch bedeutsames Kompartiment sich dahinter verbirgt, wird damit nicht deutlich. Kein zweiter Raum im menschlichen Körper birgt eine solche Vielzahl vital wichtiger zirkulatorischer Strukturen auf so engem Raum. In keiner anderen Region kann man die Bedeutung der faszialen Kontinuität und Bewegung so gut nachvollziehen, wie im Mediastinum.

Was ich damit meine, lässt sich durch einen Blick in die Embryologie verdeutlichen.
In einer frühen Phase der Entwicklung (24.-28.Tag) nachdem der Dottersack als primäres Darmrohr in den Embryo integriert wurde und eine erste Körperhöhle entstanden ist, gibt es das Mediastinum zwar noch nicht, aber für seine funktionelle Bedeutung ist dies eine ungeheuer wichtige Periode.

Es existiert zwar schon eine Körperhöhle, sie ist aber noch nicht unterteilt in Bauch- und Brusthöhle – das geschieht erst später. Was aber besonderer Beachtung bedarf, ist die Auskleidung dieser Köperhöhle mit mesodermalen Gewebe. Später differenziert sich daraus das Peritoneum, die Pleura und das Perikard/Epikard – und zwar jeweils das parietale und viszerale Blatt. Das heißt, dass diese drei serösen Häute einen gemeinsamen Ursprung haben, sie hängen embryologisch funktionell zusammen! Hier formiert sich durch die mesodermale Auskleidung der ersten Körperhöhle des Embryos eine zusammenhängende fasziale Gewebeschicht, die in diesem frühen Stadium schon von dem späteren Schädelbereich bis zum späteren Beckenboden reicht. Später nennt man diesen faszialen Strang „Zentralsehne“.

Peritoneum, Pleura und Perikard/Epikard sind in dieser Zentralsehne als seröse Häute integriert. Alle drei reagieren im Sinne einer „faszialen Kontraktion“ auf  Störungen der faszialen Mobilität. Das ist insofern von Bedeutung, weil alle Inneren Organe mit diesen serösen Häuten direkt oder indirekt in Verbindung stehen. Verlieren also Peritoneum, Pleura oder Perikard an Mobilität, weil sie als Bestandteil der Zentralsehne an einem Kompensationsmechanismus mitarbeiten, so kann dies Folgen für das Organ haben bis hin zu einer Funktionsstörung mit pathophysiologischer Bedeutung.

Wie entstehen nun die beiden voneinander getrennten Körperhöhlen?
Entscheidend dafür ist die Verlagerung des Herzens aus der Halsregion in den Thorax durch ein kranio-kaudales Zusammenklappen des Embryos in der vierten Entwicklungswoche.

 Das Herz entsteht in der Halsregion und nimmt seine faszialen Verbindungen auf seiner Verlagerung mit in den Thorax. Als Reste dieser Wanderung darf man die umfangreichen Ligamente des Herzbeutels betrachten. Sie verbinden das Perikard mit dem Diaphragma, dem Sternum, der Brustwirbelsäule, der Halswirbelsäule und den Organen des Thorax: Bronchien, Pleura und Ösophagus. Diese Ligamente gehören ebenso zur Zentralsehne wie das Perikard. Zusammen sind sie sogar ein sehr bedeutsamer Teil des zentralen faszialen Strangs, weil dieser perikardo-ligamentäre Komplex den faszialen Teil des Halses mit dem Zwerchfell und indirekt dadurch auch mit dem Abdomen verbindet. Er überträgt also über weite Bereiche die faszialen Spannungen aus dem Schädel- und Halsbereich weiter nach kaudal.

 Auch das Bindegewebe, bzw. Mesoderm, kranial des Herzens wird in den Thorax verlagert, kommt dort kaudal des Herzens zu liegen und bildet die erste noch unvollständige Trennschicht zwischen den nun entstandenen Körperhöhlen des Abdomens und des Thorax. Das spätere Diaphragma entsteht aus diesem Septum transversum, zusammen mit faszialem Gewebe, das als pleuroperitoneale Membran bezeichnet wird, und quergestreifter Rumpfwandmuskulatur. Das bedeutet, dass sowohl Peritoneum als auch Pleura an der Bildung des Diaphragmas beteiligt sind. Das Zwerchfell ist in diesem Entwicklungsstadium eine Faszie und ein Teil der Zentralsehne! Auch später noch reagiert es ausgleichend zwischen Thorax und Abdomen und arbeitet weiterhin als fasziale Struktur. Peritoneum und Pleura behalten dabei weiterhin festen Kontakt zum Diaphragma. Dies ist ein weiterer Hinweis, dass das Zwerchfell fasziale Spannungen bzw. Kompensationsmuster von der Thoraxhöhle auf das Abdomen überträgt.

 In der Thoraxhöhle vollzieht sich die Teilung in die Lungenhöhlen und das Mediastinum: Aus der Auskleidung des Thorax entsteht das Perikard und die Lungenhälften wachsen von dorsal in den Thorax hinein. Sie nehmen ebenfalls die Auskleidung des Thorax als ihre äußere Umhüllung dabei mit – die Pleura entsteht. Der Raum, der nun zwischen den Lungen, dem Diaphragma, der oberen Thoraxapertur und der vorderen und hinteren Fascia endothoracica (ebenfalls die mesodermale Auskleidung der primitiven ersten Körperhöhle) entstanden ist, nennt man Mediastinum.

 Folgende Schlüsselpunkte gilt es bis hierhin herauszustellen:

  1. Das Herz, bzw. der Herzbeutel, hat bedingt durch seine Wanderung aus der Halsregion in den Thorax umfangreiche fasziale Kontakte in allen drei Ebenen des Mediastinums.
  2. Das Diaphragma ist in einer frühen Phase seiner Entwicklung eine Faszie und es behält auch nach abgeschlossener Entwicklung entsprechende Eigenschaften.
  3. Pleura, Perikard und Peritoneum haben einen gemeinsamen Ursprung und arbeiten funktionell als Teil der Zentralsehne zusammen.

 Werfen wir nun einen Blick auf das Mediastinum, denn auch dieses Kompartiment kann man als Faszie und Teil der Zentralsehne ansehen. Daneben findet man dort zahlreiche wichtige zirkulatorische Strukturen in einer beachtlichen Nähe zueinander und durch eine auf den ersten Blick nicht wahrnehmbare Bewegung beeinflusst.

Betrachten wir nun den „Inhalt“ des Mediastinums von anterior nach posterior: Hinter dem Sternum liegt der Herzbeutel, der ligamentär mit dem Brustbein verbunden ist. Dem Herzbeutel aufgelagert, etwa im oberen Drittel des Sternums, findet man den Thymus, der eine wichtige immunologische Aufgabe im Kindesalter übernimmt. Dem Herzbeutel lateral anliegend findet man die beiden N. phrenici. Weiter nach posterior, sozusagen als nächste Schicht hinter Perikard und Thymus sind im oberen Drittel des Mediastinums die großen Gefäße zu finden, die aus dem Herzen heraus kommen oder in dieses hinein münden. Noch dahinter liegt die Trachea, die sich auf Höhe von BWK 4 in die beiden Hauptbronchien teilt, die ihrerseits noch den Herzbeutel tangieren.

Im oberen Drittel des Mediastinums ist der Ösophagus noch hinter der Trachea anzutreffen, erst nach der Bifurcatio tracheae legt er sich dem Perikard an. Der N. vagus legt sich auf der rechten Seite recht schnell nach seinem Eintritt in den Thorax dem Ösophagus an, während er linke N. vagus zuerst noch den Aortenbogen überqueren muss, um dann ebenfalls mit der Speiseröhre nach kaudal und durch das Diaphragma hindurch zu wandern.

Am weitesten dorsal, direkt vor der Wirbelsäule, findet man weitere zirkulatorische Strukturen: Die V. azygos und hemiazygos, der Ductus thoracicus und vor den Rippenköpfchen der Grenzstrang.

Aus dieser Aufzählung ergibt sich folgendes: Das Mediastinum durchziehen venöse, arterielle, lymphatische, sympathische und parasympathische gewichtige Leitungsbahnen für die abdominellen Organe. Die gute Funktion dieser Organe ist abhängig von der Struktur „Mediastinum“.

Wie funktioniert das Mediastinum nun?

Dieser Raum zwischen Sternum und Wirbelsäule, den beiden Lungenhälften, dem Diaphragma und der oberen Thoraxapertur ist eng gepackt mit Organen und Leitungsbahnen und dazwischen, quasi alles verbindend, fasziales Gewebe, so dass alle Strukturen des Mediastinums voneinander abhängig sind, weil sie aneinander hängen.

Von außen betrachtet scheint es in diesem Raum wenig Bewegung zu geben, aber von  intrathorakal sieht es anders aus. Etwa 20000 Atemzüge machen wir pro Tag. Das erzeugt beständigen Druck und Zug auf das Mediastinum in kranio-kaudaler und lateraler Richtung. In besonderer Art und Weise wird der Grenzstrang dabei von den Rippenköpfchen bewegt, was sicher nicht umsonst ist!

Das Herz schlägt ca. 100.000mal pro Tag. Das wiederum erzeugt ein dauerhaftes Vibrieren im Mediastinum.

In keiner anderen Körperregion ist also soviel Bewegung wie im Mediastinum, an keiner anderen Stelle liegen so viele wichtige zirkulatorische Strukturen zusammen. All diese Strukturen brauchen offensichtlich dieses Ausmaß an ständiger Bewegung, um ihre Aufgaben optimal erfüllen zu können.