Geschichte der Osteopathie

Auch wenn die Osteopathie erst seit ca. 15 Jahren in Deutschland bekannt ist, so ist sie keine neue „Erfindung“. Vielmehr wurde sie vor etwa 130 jahren von dem amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still (1828-1917) begründet. Als damaliger Mediziner musste er hilflos zusehen, wie seine erste Frau und vier seiner Kinder an Krankheiten starben, die aus Mangel an Kenntnissen der Schulmedizin nur unzureichend therapierbar waren. Er suchte deshalb nach einer neuen Definition von medizinischer Heilkunst und stellte einige Grundsätze auf, die auch heute noch für die Osteopathie Geltung haben und ihre Basis darstellen:

  1. Leben ist Bewegung, d.h. alle Strukturen im Körper (Muskeln, Sehnen, Organe, Nerven etc.) stehen in Bewegung zueinander. Ein Verlust dieser Bewegung zieht Krankheit nach sich.
  2. Struktur und Funktion hängen voneinander ab. Ein Muskel, der trainiert wird, vergrößert sich. Wird er nicht gebraucht, verkümmert er. Diese simple Wahrheit gilt für alle Gewebe im Körper.
  3. Der Mensch ist eine Einheit aus Körper, Seele und Geist. Die Osteopathie folgt damit dem Ganzheitsprinzip.
  4. Der Körper besitzt ein großes Potential an Selbstheilungskräften.

Im Jahr 1874 gibt Still seiner neuen Art von Medizin den Namen Osteopathie. „Osteo“ heißt Knochen und „Pathie“ meint das Leiden. Er meinte damit, dass seine Studien über die Knochen, ihm den Weg gewiesen haben, Leiden zu lindern. Die Grundlage der Osteopathie ist somit die Anatomie. 1892 gründete er die erste Osteopathieschule, die American School of Osteopathy (LINK) in Kirksville, Missouri. Der Zuspruch zur Osteopathie ist groß, im ganzen Land entstehen neue Colleges, die Zahl der Osteopathen wächst beständig und in den 1960er Jahren wir die Osteopathie allgemein in den USA anerkannt. Heute arbeiten dort etwa 54000 Osteopathen als D.O., Doctor of Osteopathy, Sie sind Ärzten (Medical Doctors, MD) gleichgestellt, verschreiben also auch Medikamente und führen Operationen durch. Nach Europa kommt sie Osteopathie schon sehr früh: Ein Schüler von Still, John Martin Littlejohn gründete 1917 in London die British School of Osteopathy (LINK).In den 1950er Jahren kommt die Osteopatie auch auf das europäische Festland, zuerst nach Frankreich. Anders als in den USA sind es in Europa vor allem Therapeuten, die die Osteopathie erlernen und sie als rein manuelle Medizin ausüben, so wie es von Still gedacht und begründet wurde. 

Weiterentwicklung der Osteopathie

Still hatte sich in erster Linie mit dem Bewegungsapparat (Knochen, Gelenke, Muskeln, Sehnen) und der Zirkulation beschäftigt. Ein Schüler von ihm, William Garner Sutherland (1873-1954) etablierte die Kraniosakrale Osteopathie. Er sprach 1939 von der primären Respirationsbewegung, die als sehr feine, pulsierende und eigenständige Bewegung am Schädel, Kreuzbein oder anderen Strukturen des Körpers von geschulten Händen zu erfühlen ist. Die Behandlung der Inneren Organe im Rahmen der Osteopathie entwickelte sich in Europa und den USA in unterschiedliche Richtung. In den USA behandelte schon A.T. Still (1828-1917) Ende des 19. Jahrhunderts Erkrankungen der Inneren Organe über die Zirkulation (Arterien, Venen, Lymphe, Nerven) Dieser amerikanische Behandlungsansatz wurde in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von William A. Kuchera D.O. und Michael L. Kuchera D.O. schriftlich festgehalten und weiterentwickelt.In Europa begann man ebenfalls im späten 19. Jahrhundert die abdominellen Organe manuell zu behandeln.

Der schwedische Gymnast Thure Emil Brandt (1819-1895) entwickelte zum Beispiel eine diagnostische und therapeutsiche Methode, um die Organe des Kleinen Beckens zu behandeln. Henri Stapfer, ein Schüler von Brandt, entwickelte die Methoden weiter. Frantz Glénard (1848-1920), ein französischer Arzt, beschreibt auch in dieser Zeit Behandlungen verschiedener Organe. In den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts griffen wiederum französische Osteopathen, u.a. Jacques Weischenk D.O., die bekannten Therapiemethoden auf und entwickelten sie weiter. Es ist schließlich Jean-Pierre Barral D.O. zu verdanken, dass die viszerale Behandlung der Inneren Organe in Europa als ein Teil der Osteopathie sich etablieren konnte.