DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 4/2008

Kinder!

Eric Hebgen, D.O., IFAO, Königswinter

Kinder aufwachsen zu sehen, zu erleben, wie sie jeden Tag ein Stück mehr von der Welt für sich entdecken, gehört sicher zu den besten Dingen, die das Leben für einen bereit hält. Sie erobern ihre Eltern im Sturm und ein Leben ohne sie ist kaum noch vorstellbar.Allerdings hat sicher jeder Vater und jede Mutter sich schon dabei erwischt, dass Gedanken einen in Beschlag nehmen wie: „Mache ich auch alles richtig? Übersehe ich auch nichts, was für mein Kind einmal ein Nachteil sein wird?“ Die Verunsicherung über gesundheitliche Fragen, die das eigene Kind betrifft, kann groß sein, aber man darf sich eines gewiss sein: Die allermeisten Kinder sind gesund und gedeihen prächtig, ohne dass man sich Sorgen machen muss.

Dennoch gibt es Warnsignale, die man beachten sollte, um nicht Gefahr zu laufen, wirklich etwas zu übersehen, was die Gesundheit ihres Kindes unter Umständen auch gravierend beeinträchtigen kann. Drei solcher Warnsignale, die Kinder im Alter von 0-12 Jahren besonders betreffen kann, sollen näher erläutert werden:

Entwicklungsverzögerung/-stillstand

Manche Kinder lernen mit 10 Monaten laufen, andere erst mit 18 Monaten. Dies zeigt, dass es eine große Spanne gibt, in der sich Kinder entwickeln können. Kritisch wird es, wenn über eine längere Zeitpanne keine Weiterentwicklung zu erkennen ist: Beispielsweise zeigt das Kind keine Anzeichen sich aus der Rückenlage auf den Bauch drehen zu wollen oder es stützt sich in der Bauchlage nicht auf den gestreckten Arm und kommt nicht zum Sitzen.

Zuerst einmal sollte in einem solchen Fall der Kinderarzt aufgesucht werden, der ausschließen sollte, dass sich hinter der Entwicklungsverzögerung eine ernsthafte neurologische Erkrankung verbirgt. Ist dies gesichert, so kann eine osteopathische Behandlung ihrem Kind Abhilfe verschaffen, dann nämlich, wenn der Grund für die verzögerte motorische Entwicklung eine Wirbelsäulenblockade ist. Der Osteopath wird ihr Kind untersuchen und mit wenigen, sanften Handgriffen die Blockierung zu lösen suchen. Solche Blockierungen können durch bestimmte Lagen im Mutterleib, den Geburtsvorgang oder auch Stürze im späteren Alter entstanden sein.

Permanente Unruhe des Kindes

Bei Säuglingen fällt in diesem Fall auf, dass sie sich nur dann beruhigen lassen, wenn sie bewegt werden. Entweder sie werden getragen, im Kinderwagen oder Auto gefahren, auf dem Arm geschaukelt etc. Sobald sie hingelegt werden und zur Ruhe kommen sollen, fangen sie wieder an zu schreien. Nach Ausschluss einer ernsthaften Erkrankung ihres Kindes beim Kinderarzt, bietet die Osteopathie eine gute Behandlungsmöglichkeit. Denn auch hier kann eine Blockierung in der Wirbelsäule der Grund sein. Es ist auch möglich, dass eine Verschiebung der Schädelknochen unter der Geburt zur Einklemmung verschiedener Nerven geführt hat, die den Kopf an der Schädelbasis verlassen. Einer dieser Nerven ist zuständig für die Verdauung. Die 3-Monats-Koliken sind nach Auffassung der Osteopathen durch eine Einklemmung dieses Nerven mit verursacht. Das Erspüren solche Verschiebungen und Korrigieren durch feinen Druck und Zug am Schädel geschieht in einer osteopathischen Behandlung.

Werden solche Blockierungen in den Schädelknochen oder auch in den Kopfgelenken nicht im Säuglingsalter behandelt, beeinträchtigen sie die Kinder auch im Kindergarten- und Schulalter: Immer wiederkehrende Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, ADHS oder das KISS-Syndrom sind mögliche Folgen. Die Osteopathie bietet auch in diesem Alter Lösungsansätze, je früher aber ein Kind einem Osteopathen vorgestellt wird, umso leichter ist die Blockierung zu beheben.

Hohe Infektanfälligkeit

Kinder erkranken häufiger als Erwachsene an meist harmlosen Erkältungskrankheiten. Ihr Immunsystem muss noch reifen, dazu braucht es die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Krankheitserregern. Sind Kinder aber sehr häufig krank, vielleicht schon im ersten Lebensjahr, in dem der „Nestschutz“ der Mutter eigentlich einen Schutz vor Infektionen bieten sollte, und ändert sich daran auch im Kindergarten und der Schule nichts, so sollte der erste Weg zum Kinderarzt sein, der ausschließen kann, ob sich hinter einer zu hohen Infektanfälligkeit eine nur schulmedizinisch therapierbare Ursache versteckt. Osteopathische Behandlungen können dazu beitragen, dass Immunsystem oder Organe in ihrer Abwehrkraft zu stärken und sind eine hilfreiche Ergänzung in der Reifung ihres Kindes. 

Noch ein Wort an alle Eltern, weil auch wir durch unser Verhalten dazu beitragen können, dass es unseren Kindern gut geht. Dabei meinen wir es oft zu gut - ein Beispiel: Bei 25° C Außentemperatur hat das Baby neben einer Windel einen Body, einen Strampler, eine Mütze und Strümpfe an, liegt auf einem Schaffell im Kinderwagen und ist zugedeckt – die Angst vor Unterkühlung ist so groß, man vergisst, dass ein Hitzestau genauso schlimm ist. Oft ist etwas weniger Fürsorge – ohne dabei vernachlässigend zu sein – gesünder.

Zum Schluss noch dies: Lassen Sie ihrem Kind Zeit. Entwicklung, Wachstum, körperliche und geistige Reifung verläuft nicht schematisch. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Dies zu respektieren dient auch der Gesundheit unserer Kinder, weil es sie vor zu hohen Anforderungen und Erwartungen bewahrt.

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